Präventionskonzepte gegen sexualisierte, aber auch sonstige Gewalt gegen Kinder sind nicht neu für die hessischen Sportvereine. Seit 2016 gehört die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindeststandards zu den Voraussetzungen für viele Förderprogramme, zeitgleich wurden der Nachweis eines polizeilichen Führungszeugnisses bei Betreuungspersonal sowie die Akzeptanz eines Verhaltenskodex eingeführt.
Damit sollte in Minimum an Prävention über die Sportvereinslandschaft hinweg sichergestellt werden. Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit dem Thema, stellt man sehr leicht fest, dass es damit nicht getan ist.
Für die SG Weiterstadt als Großverein mit ca. 1.000 minderjährigen Mitgliedern stand ein umfassenderes Konzept schon lange auf der Aktivitätenliste. Man hat zwar durch einschlägige Weiterbildungen und vor allem den angeschlossenen Sportkindergarten einiges an Wissen zum Thema Kindeswohl im Verein, und alle Übungsleiter verpflichten sich seit 2017 zur Einhaltung der Mindeststandards. Trotzdem war man sich bewusst das viele wichtige Bausteine fehlen, so zum Beispiel Handlungsleitfäden, interne Weiterbildungskonzepte, zentrale Informationsquellen und für jeden bekannte Ansprechpartner.
Die Vereinsführung nutzte deshalb die Gelegenheit, sich Anfang des Jahres als Modellverein in einem Förderprojekt der Sportjugend Hessen zu bewerben. Das Modellprojekt „Kindeswohl im Sport – Schützen/Fördern/Beteiligen in Sportkreisen und Vereinen“ hat zum Ziel, die Präventionsarbeit zum Thema Kindeswohl im hessischen Sport in den nächsten Jahren qualitativ und quantitativ weiterzuentwickeln und eine dezentrale Präventionsstruktur aufzubauen. Zudem wird der Fokus neben dem Aspekt des Schutzes von Kindern und Jugendlichen auch auf die Beteiligung und Förderung von Kindern und Jugendlichen erweitert. Das Projekt wird durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport gefördert (2019 - März 2022).
Im Januar erhielt die SGW als einer von 25 Vereinen in Hessen den Zuschlag, im Juni fand nun das Kickoff-Meeting statt. Die Ansprechpersonen im Verein werden durch Kindeswohl-Berater/innen der Sportjugend Hessen individuell begleitet und bei der Erstellung und Implementierung von Kindeswohl-Konzepten (Schutz, Beteiligung, Förderung) unterstützt. Der/die Kindeswohl-Berater/in kommt hierzu direkt in den Verein und arbeitet mit der Kindeswohl-Ansprechperson des Vereins zusammen.
Die Projektleitung für die SGW übernimmt mit Danica Paepcke eine im Thema erfahrene, ehrenamtlich Aktive des Vereins. Berührungspunkte zum Thema hat sie nicht nur als langjährige Jugendbeauftragte in der Basketballabteilung, sondern auch ihre berufliche Tätigkeit als Grundschullehrerin. Sie selbst hat hohe Erwartungen an das Projekt: „Bei einer so großen Anzahl an Kindern im Verein und den häufigen, teilweise sehr intensiven Stunden die wir miteinander verbringen, ist es gut investierte Zeit sich selbst mit Thema zu beschäftigen und den Übungsleitern bei Fragen und Unklarheiten helfen zu können.“
Nach der Vorstellung des Projektes und der einstimmigen Unterstützung des Gesamtvorstandes hat sich ein Projektteam mit der Erstellung eines Präventionskonzeptes beschäftigt. Unterstützt durch eine Fachberaterin im Auftrag der Sportjugend Hessen, Frau Petra Bergmann, wurden die Details dieses Konzeptes als erster Bestandteil eines Bausteinsystems zum Schutz von Kindern fertig gestellt und jetzt veröffentlicht (sieh auch Seite KINDESWOHL). Dies ist umfangreich und deckt viele Voraussetzungen ab, um für das Thema zu sensibilisieren und Gefährdungen zu vermeiden. Kindeswohl wird Bestandteil der Vereinssatzung, es gibt verpflichtende Maßnahmen wie Weiterbildungen sowie Vertragsbestandteile für Übungsleiter und Betreuer. Im Präventionskonzept enthalten sind ebenfalls inhaltliche Hilfestellungen, so z.B. Verhaltensregeln, Interventionsleitfaden und Ansprechpartner. Parallel dazu erfolgte eine Befragung von Funktionsträgern, Übungsleitern und Eltern, damit soll der Ist-Zustand des Themas Kindeswohl in der SGW sowie die Wahrnehmung und Prioritäten der kommenden Aktivitäten überprüft werden.
Doch damit sind die grundsätzlichen Arbeiten noch nicht erledigt, so Paepcke: „Wir haben noch einiges vor uns. Zunächst einmal müssen die beschlossenen Weiterbildungen organisiert und angeboten werden, nicht nur einmalig, sondern auch dauerhaft. Zweitens werden wir eine vereinsinterne Risikoanalyse durchführen um festzustellen, ob es irgendwo sportart- oder abteilungsspezifische Risiken gibt die wir bisher nicht betrachtet haben. Dritter fehlender, wichtiger Baustein ist ein Teilhabe- und Beteiligungskonzept. Dieses soll Strukturen und Angebote beinhalten, welche Kinder und Jugendliche über Kindeswohlgefährdung und insbesondere sexualisierte Gewalt informieren, bei der Stärkung von Selbstbehauptung unterstützen und zur Partizipation bei Prävention und Intervention motivieren.“
Michael Gießelbach, 1. Vorsitzender der SG Weiterstadt, verspricht sich davon wichtige Impulse für den Projektverlauf: „Wir haben durch die Begleitung der Sportjugend Hessen und der Fachberatung die einmalige Möglichkeit, Kindeswohl Im Verein mit allen zugehörigen Aspekten modellhaft aufzubereiten. Das gibt nicht nur uns, unseren Übungsleitern und Eltern eine hohe Sicherheit im Umgang mit dem nicht ganz einfachen Thema, auch andere Vereine und Institutionen der Region können davon möglicherweise profitieren. Ich hoffe deshalb auf rege Beteiligung bei den Umfragen, je mehr Informationen wir haben desto zielgerichteter können wir arbeiten.“
Auch eine aktive Beteiligung ist durchaus erwünscht. Wenn jemand gerne im Projekt mitarbeiten möchte steht der Vorstand für eine erste Kontaktaufnahme zur Verfügung.